Plotin wurde im 18. Jahrhundert in Deutschland meistens in der lateinischen Übersetzung Ficinos gelesen und mit der Hilfe seiner Kommentare interpretiert. Nach einer Rekonstruktion der wichtigen Etappen von Plotins Rezeption im 18. Jahrhundert wird zuerst durch eine Analyse des frühen Weltbildes (bzw.des Luzifer-Mythos) Goethes seine frühe Annäherung an den Neuplatonismus gezeigt, die bis heute von der Forschung als eine bloße Fiktion betrachtet wurde. Im Hauptteil werden dann Goethes intensive-Plotin-Lektüre im Jahr 1805 und seine Übersetzung aus dem 8. Buche der 5. Enneade Plotins über die geistige Schönheit oder besser aus Ficinos lateinische Übersetzung De intelligibili pulchritudine vorgestellt und analysiert; durch diese „Übersetzung der Übersetzung“, wie sie Goethe selbst bestimmt hatte, wird der Einfluss hervorgehoben, dass Ficino-Plotin-Idee des Kunstschönen, in seiner Beziehung zur Natur und zum Intelligiblen, auf die Poetik und das Werk Goethes ausübte. Die Produktivität seiner intensiven Auseinandersetzung mit dem Renaissance-Platonismus wird am Ende durch das neuplatonische Gedicht „Wär’ nicht das Auge sonnenhaft“, zum Teil eine fast interlineare Übersetzung aus Ficinos Vorlage.