Zur historischsprachwissenschaftlichen Interpretation der slawischen Kustoden im Kodex Heiligenkreuz OCist., Cod. 250 aus dem zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts (ca. 1134–1147)
Im vorliegenden Beitrag werden die neu entdeckten slawischen Kustoden im lateinischen Kodex Heiligenkreuz OCist., Cod. 250, der im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts (ca. 1134–1147) im Zisterzienserstift Heiligenkreuz im Wienerwald entstand, historischsprachwissenschaftlich interpretiert. Die Sprache der slawischen Zahlwörter von 1 bis 10, die in den Kustoden vorkommen, wird aufgrund ihrer historisch-phonetischen Analyse genealogisch-linguistisch eingeordnet. Sie wird mit dem Frühslowenischen, das bis ins 12. Jahrhundert im ganzen Ostalpenraum ungefähr von der Donau im Norden bis zur Adria und der Kulpa im Süden sowie bis zur westlichen Peripherie der Pannonischen Ebene im Osten bezeugt ist, identifiziert. Des Weiteren wird das Frühslowenische aufgrund seiner sprachlichen Merkmale sowohl vom damaligen westslawischen (d. h. tschechisch-slowakischen) Sprachkontinuum nördlich als auch vom Zentralsüdslawischen (vor allem dem Kajkavischen und Čakavischen) südlich des Ostalpenraumes linguistisch eindeutig abgegrenzt.